Lima Sayed
Lima Sayed

Lima Sayed verbrachte 1996/97 mit Youth For Understanding (YFU) ein Austauschjahr in Michigan. Heute engagiert sie sich beim YFU-Bildungsangebot Colored Glasses und trainiert dort Teamer*innen. Lima arbeitet an der Universität Hamburg im Career Center und gibt freiberuflich Workshops zu Critical Whiteness. Was das bedeutet? Das und mehr erzählt sie im Interview:

Liebe Lima, in deiner freiberuflichen Arbeit und deinem aktivistischen Engagement beschäftigst du dich insbesondere mit Critical Whiteness. Was müssen wir uns unter diesem Begriff vorstellen? 
Critical Whiteness eröffnet uns allen eine Perspektive, um differenzierter auf Machtstrukturen und Diskriminierungsformen wie Rassismus zu schauen. Rassismus ist eben nicht nur eine Ausnahmeerscheinung, die von extremistischen Gruppen ausgeübt wird oder sich auf Vorurteile und Beleidigungen beschränkt. Diese Vorstellungen von Rassismus herrschten die längste Zeit vor. Dabei spiegelten sie vornehmlich die Erlebniswelt von weißen Menschen wieder – Menschen also, die selbst nicht von (systemischem) Rassismus betroffen waren oder sind.

Wir erleben seit einiger Zeit eine ungekannte Aufmerksamkeit auf Rassismen in allen möglichen Bereichen der Gesellschaft. Es ist, als wurde ein Schleier gelüftet. Dabei ist es nicht so, dass vorher kein Rassismus vorhanden war. Er war aus der Perspektive und Erlebniswelt weißer Menschen eben nicht zu sehen oder zu verstehen. Die kritische Weißseinsforschung hat ermöglicht, Rassismus in seiner Tragweite zu verstehen und die Beschränktheit der Perspektive weißer Menschen zu überwinden. Um eine Metapher zu verwenden: Wir alle haben unsere Eindrücke und Vorstellung vom Mond. Wie der Mond wirklich beschaffen ist, erfahren wir aber besser von Menschen, die selbst dort waren.

Warum ist es so wichtig, dass sich Menschen mit diesem Konzept auseinandersetzen? 
Ich denke, wir leben in einer Zeit, in der sich unheimlich viel unheimlich schnell verändert. Wir verstehen Deutschland heutzutage als ein Einwanderungsland. Heute würden sich auch nicht mehr so viele Menschen auf den Schlips getreten fühlen bei der Aussage „Der Islam gehört zu Deutschland“. Ich denke, durch die Konzepte der kritischen Weißseinforschung kann der eigene reduzierte Blick, die eigene Erlebniswelt ausgeweitet werden. Unser Verständnis voneinander wird umfassender.

Wenn du die Teilnehmer*innen deiner Workshops und Angebote vor Augen hast: Wie viele Kompetenzen bringen die Menschen heutzutage auf diesem Feld schon mit? Hat sich da über die letzten Jahre etwas verbessert? 
Das ist schwer zu sagen. Als ich vor über 10 Jahren mit meiner Forschung zu Rassismus und Weißsein im US-Film begann, habe ich mich sehr schwer damit getan, ob ich den Begriff „Rasse“/Rasse (als „biologisches“ und soziales Konstrukt) überhaupt verwenden könne. Und auch von weißen Menschen zu sprechen war damals sehr schwierig, weil ich den Eindruck hatte, dass es in der deutschen Mehrheitsgesellschaft kein Bewusstsein über das eigene Weißsein gibt. Ich finde es ganz erstaunlich, wie selbstverständlich das heute schon für viele Menschen ist, insbesondere wie reflektiert Jugendliche heutzutage sind. Und was die Menschen in meinen Workshops betrifft, so habe ich das Glück, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sich ja bewusst mit diesen Themen beschäftigen wollen und eine große Offenheit mitbringen.

Lima mit dem ersten Exemplar ihres Buches "Weisse Helden im Film".
Lima mit dem ersten Exemplar ihres Buches „Weisse Helden im Film“.

Die Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung spielen auch in der YFU-Strategie 2025 eine Rolle. Unter anderem soll in den Konzepten und Strukturen eine klare antirassistische und antidiskriminierende Haltung umgesetzt werden. Was wären aus deiner (Expertinnen‑)Perspektive die nötigen Schritte, damit wir darin erfolgreich(er) werden?
Bei YFU erlebe ich eine sehr lebendige und offene Gesprächskultur und die Bereitschaft sich immer wieder auch mit schwierigen Themen auseinanderzusetzen. Ich denke, das ist ganz wesentlich für die Beschäftigung mit (Anti-)Rassismus und (Anti-)Diskriminierung. Wichtiger als irgendwelche (politischen) Schritte empfinde ich die Haltung, die bei YFU gelebt wird. Und mit dieser Haltung wird der Verein sicherlich auch in Zukunft sensibel und verständig auf die Herausforderungen bezüglich dieser Themen eingehen. Ich denke, das stetige Lernen – über uns selbst und über einander, vor allem aber miteinander –  ist dabei der Schlüssel.

Du engagierst dich auch ehrenamtlich bei Colored Glasses. Was treibt dich dabei an?
Mich treiben die Werte an, die bei Colored Glasses und auch bei YFU gelebt werden. Tatsächlich war mein eigenes Austauscherlebnis ganz wesentlich für meinen Werdegang und die Beschäftigung mit Rassismus und Critical Whiteness. Nicht nur, dass ich in der Amerikanistik promoviert habe (mein Austauschjahr war 1996/ 97 in Michigan). In meinen Workshops berichte ich häufig davon, dass ich das erste Mal in meinem Leben durch mein Austauschjahr mit YFU eine intellektuelle Rahmung für die Phänomene erhalten habe, die mein eigenes Leben als Deutsche mit afghanischen Wurzeln ausgemacht haben.

Zum Schluss bitte eine Runde Orakeln: Wie stellst du dir die Gesellschaft in 15 Jahren vor – wird sie merklich reflektierter mit dem Thema Rassismus umgehen?
Ich glaube wir sind auf einem guten Weg. Ich denke, was heute noch unter dem Buzzword Diversity als sehr exotisch oder besonders gilt, ist vielerorts in Deutschland schon längst gelebte Realität. Ich wünsche mir im Diskurs um Rassismus vor allem, dass wir in einen empathischen und respektvollen Austausch miteinander gehen. Und ich glaube, sehr vielen Menschen ist daran gelegen.

Einmal um die Welt - Logo

Nach nur zwei Monaten haben wir zusammen bereits 1/4 unseres Weges um die Welt geschafft!

Im Januar 2021 fiel der Startschuss für unsere Aktion „Einmal um die Welt“ – seitdem haben sich bereits 135 Teilnehmende dafür registriert, Teil unserer gemeinsamen, 40.000 km langen Reise zu sein und dafür ihre unmotorisiert zurückgelegten Kilometer zu spenden.

In großen Schritten sind wir von Hamburg aus Richtung Süden gestartet und durchstreifen gerade den afrikanischen Kontinent. Derzeit stoppen wir in Sambia und sind auf dem Weg nach Simbabwe.

Unser Ziel ist es, durch die gespendeten Kilometer die Welt zu umrunden und dadurch die Vielfalt auf unserem Planeten und unser 20-jähriges Jubiläum zu feiern. Hinterlasse auch Du mit uns einen Fußabdruck für die Förderung einer aktiven und toleranteren Zivilgesellschaft.

Mit „Einmal um die Welt“ verbinden wir jedoch nicht nur unsere Jubiläums-Aktion, sondern auch eine unserer langjährigen Workshopsimulationen. Mit dieser Simulation wollen wir den Jugendlichen die Themen Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung näher bringen. Das Besondere ist, dass dieser Workshop für all unsere Zielgruppen angewendet und seit diesem Jahr sogar auch online durchgeführt werden kann. Denn dieses Jahr geht es nicht nur um die Welt, sondern auch digital in die Klassenzimmer.

Unsere Reise kann auf Facebook und Instagram verfolgt werden und unter diesem Link kannst Du Dich anmelden.

Weitere Informationen zu unserer Aktion gibt es hier.

MITWIRKEN - Das Hertie-Förderprogramm für gelebte Demokratie

Colored Glasses wurde ausgewählt am Programm MITWIRKEN, dem Förderprogramm der Hertie-Stiftung für gelebte Demokratie, teilzunehmen!

MITWIRKEN begleitet, unterstützt und fördert Demokratie-Projekte, die Partizipation gestalten, Dialog anregen oder Vielfalt stärken. Genau das also, was seit 20 Jahren Ziel von Colored Glasses ist! Wichtiger Bestandteil des Programms ist ein Crowdfunding-Contest.

Gemeinsam Großes bewegen: startnext.com/coloredglasses !

Werde Teil der Colored Glasses Crowd und unterstütze uns mit einem Mindestbeitrag von 5 Euro oder mehr auf startnext.com/coloredglasses! Hilf mit unser Fundingziel von 10.000 Euro zu erreichen und so viele Unterstützer*innen wie möglich zu finden. Die 20 Projekte mit der größten Crowd erhalten ein Preisgeld der Hertie-Stiftung. Mit dem Geld soll das Bildungsangebot Colored Glasses in diesem Jahr finanziell gesichert werden, damit in 2021/ 22 Toleranzworkshops für ca. 1650 Teilnehmende angeboten werden können.

Was ist Crowdfunding?

Die Idee hinter Crowdfunding ist einfach: Viele Menschen (die Crowd) finanzieren (fund) auf einer digitalen Plattform gemeinsam eine Idee oder ein Projekt. Dafür starten bei MITWIRKEN alle ausgewählten Projekte gemeinsam in einen Crowdfunding-Contest auf der Plattform Startnext. Wir bauen unsere Community aus und finanzieren so unser Bildungsangebot. Die 20 erfolgreichsten Projekte, die die größte Anzahl an Spender*innen mobilisieren, erhalten außerdem zusätzliche Preisgelder in Höhe von insgesamt 200.000 Euro von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung.

Der Startschuss zum Crowdfunding-Contest ist am 21. April gefallen. Die Kampagne läuft noch bis zum 19. Mai 2021.

Bitte teilt unsere Kampagne in euren sozialen Netzwerken, denn nur gemeinsam können wir Großes bewegen.

Cybermobbing
Literatur

Wir hoffen, ihr geht mit viel neuem Wissen und vielen neuen Perspektiven auf das Thema „Cybermobbing“ aus dieser Woche. Ausgelernt hat man nie – wer sich noch intensiver informieren möchte, findet hier daher eine Übersicht von Literatur und Websites, die Benedikt Leven für die weitere Auseinandersetzung empfiehlt:

Dem Autor scheint „Cybermobbing – Wenn das Internet zur W@ffe wird“ (2014) von Catarina Katzer das derzeit beste einschlägige Kompendium auf dem deutschsprachigen Markt zu sein.  

Im Übrigen bleibt das erfrischend lebensnahe „Zum Frühstück gibt’s Apps“ (2. Aufl. 2020) von Gerald Lembke und Ingo Leipner für „[m]ehr Überblick in der digitalen Welt“ (so die Unterüberschrift) – auch in anderen Bereichen des Internets – zu empfehlen: Ab S. 173 wird dort auf Mobbing und Chatfallen eingegangen. 

Christian Scherg, ein medial häufig vertretener „Experte für Krisenkommunikation“, hat einige erhellende Beiträge auf verschiedenen Plattformen geliefert, die auf seiner Homepage versammelt einsehbar sind.

Schließlich könnten die folgenden Webseiten aufschlussreich sein:

CyberBullying (stopcyberbullying.eu)

Bündnis gegen Cybermobbing e.V. – Mobbing Internet/Netz (buendnis-gegen-cybermobbing.de)

Initiativbüro Gutes Aufwachsen mit Medien (gutes-aufwachsen-mit-medien.de)

klicksafe.de: Die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz – klicksafe.de

Startseite – webhelm

Zehn Goldene Regeln im Umgang mit Hass im Netz (neuemedienmacher.de)

Autor: Benedikt Leven

Benedikt Leven hat Rechtswissenschaft studiert und promoviert an der Universität Passau bei Professor von Lewinski zu Hate-Speech und Fake-News in ihrer Bedeutung für den öffentlichen Diskurs der Demokratie. Das Thema „Cybermobbing“ interessiert ihn, weil es so nah mit der digitalen Gewalt verwandt ist, die sich gegen die öffentliche Meinungsbildung richtet. Für das Wintertreffen von Colored Glasses im Januar 2021 hat er einen Workshop zu diesem Thema konzipiert und den Teilnehmenden so wissenschaftliche Perspektiven darauf nähergebracht.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Benedikt Leven!

Seinen Lebenslauf, seine Publikationshistorie und seine Kontaktdaten findet ihr hier auf der Webseite der Universität Passau.

Den vollständigen Text, den ihr in den letzten Tagen in Ausschnitten auf unserem Blog finden konntet, könnt ihr hier herunterladen:

Cybermobbing
Team

Praktische Ansätze zur Bewältigung von Cybermobbing im Schulkontext:

1.  Wenn möglich: (Er-)Klärung
  • Manchmal kann auf – insbesondere sachliche – „Hater“-Kommentare eingegangen werden, um etwaige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen (Lembke/Leipner, Zum Frühstück gibt’s Apps, 2. Aufl. 2020, S. 188).
2.  Hilfe im online- oder „real-life“-Umfeld
  • Zunächst einmal können wahrscheinlich schon das Wissen und die Vergewisserung darum helfen, dass man nicht auf sich alleine gestellt ist. 
    • Womöglich kann auch die Souveränität und Standhaftigkeit von Sarah Bosetti oder Hasnain Kazim zum Durchhalten ermutigen, die in Büchern über ihren Umgang mit Hasskommentaren berichtet haben (Bosetti, „Ich habe nichts gegen Frauen, du Schlampe!“: Mit Liebe gegen Hasskommentare, 2020; Kazim, Post von Karlheinz: Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte, 2018).
  • Im Ernstfall sollte man sich Hilfe suchen und vielleicht zunächst eine private Gegenöffentlichkeit aufbauen (vgl. Lembke/Leipner, Zum Frühstück gibt’s Apps, 2. Aufl. 2020, S. 188).
  • Bei erforderlichen rechtlichen Schritten können „Beratungsstellen bei digitaler Gewalt“ – wie etwa Hate Aid – helfen. 
3.  Allgemein: „Gesteigertes Bewusstsein“

Bis zur „praktischen“ (und an sich vorzugswürdigen) Lösung des Problemfeldes auf gesellschaftlicher Ebene (bislang noch bestehende „offene Flanken“ wurden oben unter C. angedeutet) könnte vor allem ein „gesteigertes Bewusstsein“ insbesondere für die eigene Verantwortlichkeit und die eigenen emotionalen Reaktionsmöglichkeiten als „freies Individuum“ auf die Online-Bedrohungen der Moderne eine wichtige Ergänzung zu den bereits oben genannten Punkten sein.   

a) Bewusstsein für die technischen Bedingungen der Online-Sphäre, in der sich Cybermobbing entfaltet

Wenn wir achtsam nachvollziehen und uns ins Gedächtnis rufen, dass nicht aller „Mob“ unmittelbar „menschengemacht“ ist, sondern die technische Sphäre des Internets digitale Gewalt begünstigt (dazu schon oben B.), dann ist schon viel gewonnen – auch wenn freilich der Hass dadurch immer noch übermächtig erscheinen kann.

b) Bewusstsein für die Folgen „übertriebenen“ Internet-Medienkonsums

  • Immer wieder wird in der Wissenschaft vor „übertriebenem“ Internet-Medienkonsum – gerade durch junge Leute und gerade auf sozialen Netzwerken – gewarnt: Depressionen drohen durch das „ständige Vergleichen“, etc.
  • Die Grenzen zwischen der virtuellen und der realen Welt dürfen daher nie verschwimmen!
  • Wenn wir ein „echtes“ festes und funktionierendes Familien- und Freundesnetz haben, wird uns Hate-Speech im Netz weniger anhaben können (instruktiv in diesem Zusammenhang Spitzer, Cyberkrank!, 2015 und Turkle, Verloren unter 100 Freunden, 2012). 

c) Bewusstsein für mögliche eigene emotionale Traumatisierung, die durch das Cybermobbing „reaktiviert“ wird

Es kann sein, dass Cybermobbing extrem „dunkle“ Emotionen bei einzelnen Betroffenen wachruft, die in keinem „angemessenen Verhältnis“ zur Schwere der aktuellen Hate-Attacke stehen.

Hier könnten etwaige „alte Wunden“ nachwirken, deren Ursachen für uns schon gar nicht mehr aktiv in unserem Gedächtnis abrufbar sind.

Wissen wir um die Möglichkeit solcher alten eigenen Wunden und haben wir uns bewusst mit ihren (möglichen) Folgen ausgesöhnt (hierzu sehr lesenswert Charf, Auch alte Wunden können heilen, 2018), so können wir innerlich gestärkt und selbstbewusst auf potenzielle Angriffe reagieren. 

d) Bewusstsein für die Bedeutung eines positiven Selbstwertgefühls

Insgesamt kann uns die Cybermobbing-Gefahr (auch gerade als Eltern) – wieder – die Bedeutung der Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls junger Erwachsener vor Augen führen (vgl. Katzer, Cybermobbing, 2014, S. 152).

e) Bewusstsein für Möglichkeiten zur emotionalen Selbstregulation

In der Psychologie wird mit dem Begriff der „emotionalen Selbstregulation“ auf Prozesse Bezug genommen, die wir nutzen können, um die Art, die Intensität oder die Dauer von Emotionen in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen.

Wenn wir uns darüber bewusst sind, dass wir nicht „emotional rigide“ (vgl. das Konzept der „Emotional Agility“ nachSusan David) auf bestimmte äußere – auch hasserfüllte – Reize in der (Internet-)Außenwelt reagieren müssen, so werden wir innerlich freier und können durch neue positive Emotionen verletzenden Eindrücken aus dem Netz entgegenwirken (vgl. nur den in der Wissenschaft sachte unterstellten „Undoing Effect of Positive Emotions“).

Die Versuchung wird wohl immer darin bestehen, „negativen“ gefühlsmäßigen Reaktionen einfach entkommen zu wollen und sich abzulenken, was aber zu Isolation und dadurch vielleicht sogar Depression (vgl. Hari, Der Welt nicht mehr verbunden, 2019) führen kann. Andere Formen der „destruktiven“ Ablenkung könnten für Cybermobbing-Opfer in der Zuflucht zu Essen, Computerspielen oder Fernsehen bestehen.

Was kann hier helfen? 

  • Die achtsame Wahrnehmung der eigenen gefühlsmäßigen Reaktion (Rosenberg, 90 Seconds to a life you love, 2019).
  • Gespräche und Begegnungen mit anderen Menschen, in denen ein Austausch über die eigenen Gefühle stattfindet. 
  • Meditation oder Gebet (Ricard, Why Meditate: Working with thoughts and emotions, 2010) 
  • Sportliche Aktivität bzw. Yoga 
  • Musik bzw. Gesang

f) Bewusstsein für „narzisstische“ bzw. „perverse“ Persönlichkeitsstörungen (im weiteren Sinne)

In der wissenschaftlichen Literatur wird – quer durch verschiedene Disziplinen hinweg – immer wieder bestätigt, dass Menschen, die selbst traumatische sprachliche/seelische Verletzungen (gerade in ihrer Kindheit) erlitten haben, später dazu neigen, andere mit Worten zu verletzen.

Vor dem Hintergrund dieses Wissens mögen Betroffene in dem Bewusstsein wachsen, dass verletzende Worte, die uns im Internet begegnen, wie im echten Leben, „nichts mit uns zu tun haben“, sondern vielmehr ausschließlich etwas über das gebrochene Herz des Täters selbst aussagen (in diesem Zusammenhang sehr lesenswert Hirigoyen, Die Masken der Niedertracht, 20. Auflage 2020).

g) Bewusstsein für zwischenmenschliche Kommunikation: „Gewaltfreie Kommunikation“

Die „Gewaltfreie Kommunikation“ ist eine Kommunikationsmethode nach Marshall B. Rosenberg, der sich selbst durch seine Berührungen mit dem Buddhismus für einen achtsameren Umgang der Menschen untereinander einsetzen wollte. Zentral ist (auch) in dieser Kommunikation ein gesteigertes Bewusstsein für mich selbst, meine Gefühle und Bedürfnisse und mein Gegenüber und seine Gefühle und Bedürfnisse. Mit dieser Achtsamkeit können wir durch die Masken der Härte und Beleidigung hindurchblicken, die uns oberflächlich in unserem Hater begegnet. 

Autor: Benedikt Leven

Benedikt Leven hat Rechtswissenschaft studiert und promoviert an der Universität Passau bei Professor von Lewinski zu Hate-Speech und Fake-News in ihrer Bedeutung für den öffentlichen Diskurs der Demokratie. Das Thema „Cybermobbing“ interessiert ihn, weil es so nah mit der digitalen Gewalt verwandt ist, die sich gegen die öffentliche Meinungsbildung richtet. Für das Wintertreffen von Colored Glasses im Januar 2021 hat er einen Workshop zu diesem Thema konzipiert und den Teilnehmenden so wissenschaftliche Perspektiven darauf nähergebracht.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Benedikt Leven!

Seinen Lebenslauf, seine Publikationshistorie und seine Kontaktdaten findet ihr hier auf der Webseite der Universität Passau.

Ihr möchtet mehr über das Thema „Cybermobbing“ erfahren? Den nächsten Teil der Reihe findet ihr ab dem 27.02.2021 hier auf unserem Blog.